Jetzt mach ich ihn endgültig fertig!.
Was macht man mit so einer schmalen Wasserleiche, die in erbarmungswürdigem Zustand klappernd und ächzend versucht, ihr Vollholzdeck als einzige Stabilisierung ihrer selbst beizubehalten? Und was macht man mit einem so einem abgemagerten Leib aus spineldürren Decksbalken, einem schwammartigen Wellenschacht und einem Stützgerippe, bei dem jeder(!) Spant mindestens einmal irgendwo gebrochen ist? Ganz klar: Man macht ihn wieder fertig!

Man wächst mit den Aufgaben, die einem gestellt werden. Und die größte Herausforderung dieses Projektes war vornehmlich gar nicht der Abriß, der Neuaufbau oder das Entsetzen ob diverser Zustände der holztechnischen Art. Nein, daß größte Problem war die Reihenfolge der Bearbeitung. Kaum, daß ein Decksteil sich im spangroßen Zustand auf dem Garagenboden befand, erwies sich die gesamte Konstruktion als, sagen wir mal: haltlos. Die Decksbalken fielen wie reife Äpfel durch Einwirkung normaler Gravitationskräfte in Richtung Erdmittelpunkt einfach ins Boot. Kein Deck, keine Decksbalken, keine Längs- und Seitenstäbilität. Das erste Vollholz-Gummiboot meiner Refitter-Karriere lag vor mir wie ein wabbeliger Fisch ohne Gräten.

Es ist ein mühseliges und zugleich zeitraubendes Geschäft, Balken zu schienen oder vorsichtig nachzuformen, gleich einzuleimen um erst nach gewonnener Stabilität ganz vorsichtig den nächsten rauszuoperieren. Die außergewöhnliche Form dieses superschlanken Renners sollte ja nunmal kein Opfer ungeduldiger Restaurierungswut werden. Und wer nur langsam vorankommt, kann sich seinen nächsten Schritt gut überlegen. Zum Beispiel den des künftigen Antriebes. Nein, ein neuerlicher Inborder sollte nicht wieder rein. Kein Bock auf das Freikratzen verstopfter Siebe der Wasserzuleitung, keine Lust auf wartungsintensive Wendegetriebe und nichtdichtende Stevenrohre, Horror vor einer stinkenden Ölpest in der Bilge. Nach und nach beschleicht mich der Gedanke und die Ahnung, daß scheinbar sinnvolle Dinge wohl doch nur aus der Not geboren wurden. Vielleicht war es doch nur der Mangel an motorischen Anhängseln, der die Erbauer einstmals veranlaßte, das zweitaktorische Gelärm aus dem Wartburg raus und in den Wellenbinder rein zu bauen. In notlosen Zeiten ist die Sache schnell entschieden. Ein Außenborder im Schacht soll demnächst den Flitzer schieben. Nix Dickes - nur so was zum gemütlichen Rumeiern auf weidengesäumten Kanälen der meckpommerischen Art. Mit dem selbstgemachten Nachwüchsigen auf dem Schoß und mit einem leisen Viertakter im Rücken. So stelle ich mir das vor.

Wellenbinder VeryTight

5,50m Länge, 1,15m Breite

Mahagoni auf Eicheresten, geklinkert, ungeschäftet

antriebsloser Holzkorpus
Making of VeryTight